Der Zusammenhang von Achtsamkeit und Zirkus mit besonderem Augenmerk auf das Jonglieren

Warum eigentlich Zirkus und Achtsamkeit?

Naja, erst einmal, weil es mein Hobby ist. Und weil es sich dadurch in den vergangenen Jahren in meiner klinischen Arbeit organisch ergeben hat. In meinem Büro hatte ich für mich immer Jonglierbälle oder eine Kugel für Kontaktjonglage liegen- für stressige Momente. Um “runter zu kommen” vor dem nächsten großen Termin mit vielen Beteiligten, um kurz auf andere Gedanken zu kommen, wenn die Dokumentation des letzten Gespräches zu langwierig war oder für eine Verschnaufpause, wenn ich in einem Fall nicht weiter wusste und in meinem Kopf zu viele Ansätze gleichzeitig aufpoppten. Über die Zeit kam es dann, dass ich auch meinen Patienten hin und wieder einen Ball in die Hand drückte und wir gemeinsam damit “spielten”. Dabei lernte ich viel über die Nutzungsmöglichkeiten von Jonglieren in der Therapie. Durch Recherche zum wissenschaftlichen Hintergrund der Wirkweise habe ich gelernt, dass auch andere Zirkusdisziplinen mit ähnlichen positiven Effekten genutzt werden können. Also habe ich Manege frei für dich gegründet und nutze nun diese Effekte.

3 Bälle werden jongliert

Jonglieren als Achtsamkeitsübung

Beim Jonglieren muss man konzentriert sein und Konzentration ist die Basis der Achtsamkeit. Konzentration und Achtsamkeit erfordern beide bewusstes Wahrnehmen und Fokussieren. Eine gute Konzentration unterstützt die Achtsamkeit: Wenn wir uns auf eine Aufgabe konzentrieren, sind wir weniger anfällig für ablenkende Gedanken.

Jonglieren ist nicht immer eine Achtsamkeitsübung, es kann aber gut dazu genutzt werden. Das funktioniert vor allem gut bei Menschen mit hohem Bewegungsdrang, die schnell abgelenkt werden- so wie ich selbst und einige meiner ehemaligen Patienten. 

Im Gegensatz zu manchen anderen Achtsamkeitsübungen, wo der Fokus auf der Atmung liegt, ist er bei der Jonglage auf die Flugkurve der Bälle gerichtet. Schweifen die Gedanken ab, wird die Jonglage unsicherer und fordert mehr Anstrengung zum Ausgleichen ein oder die Bälle fallen. Wo die Atmung automatisch weiter funktionieren würde, gibt das Jonglieren direktes Feedback und hilft dadurch, zurück in die Achtsamkeit zu kommen.

Generelle Vorteile von Jonglieren

  1. Mit der Fähigkeit zu Jonglieren steigert sich gleichzeitig die Fähigkeit, geistige, körperliche und emotionale Herausforderungen zu meistern.
  2. Jonglieren bringt immer mehr innere und äußere Harmonie.
  3. Jonglieren stellt einen idealen Ausgleich zu Belastungen im Alltag dar.
  4. Jonglieren bringt einen Gewinn an Konzentrationsvermögen.
  5. Jonglieren baut negativen Stress ab.
  6. Verblüffender Weise steigt mit zunehmenden Jonglierfähigkeiten auch das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl.
  7. Jonglieren bringt immer wieder ungewöhnliche und neue Eindrücke, die sich förderlich auf jegliche Denkprozesse auswirken.
  8. Die Vielseitigkeit von Jonglierrequisiten bietet immer neue Möglichkeiten.
  9. Jonglieren kann in individuell bestimmtem Tempo erlernt werden.
  10. Ganz nebenbei macht Jonglieren auch noch Freude.

Dies sind nur 10 Punkte aus dieser Liste mit 101 guten Gründen Jonglieren zu lernen. Also falls Jonglieren als Achtsamkeitsübung dich nicht Überzeugt, dass Jonglieren eine ganz gute Sache für dich sein könnte, findest du in dieser Liste bestimmt einen Ansporn.

Achtsamkeit in anderen Disziplinen

Man muss im Moment sein, sich aller Sinne bewusst sein, um Balance und Kontrolle über Bewegungen von sich selbst und Zirkusrequisiten beizubehalten. Es gibt drei Arten von Disziplinen, die mir da spontan einfallen:

Disziplinen, in denen ich auf etwas balanciere: zum Beispiel auf einer Slackline, einem Einrad, einer Laufkugel, Stelzen oder einem Rola Bola.

Mann balanciert auf Slackline

Disziplinen bei denen ich etwas auf mir balanciere: zum Beispiel eine Acrylkugel, Keulen oder Stäbe.

Frau Balanciert Kugel auf dem Kopf

Disziplinen, bei denen ich die Bewegung von etwas um mich herum steuere: zum Beispiel Poi, Levistick, Diabolo oder Stäbe. 

Poi Jongleur

Ein Forscherteam hat die Effekte von einem zirkuskunstbasiertem Achtsamkeitsprogramm untersucht. Die Autoren der Studie postulieren: Menschen, die Zirkusfertigkeiten üben, trainieren (zusätzlich zum einfachen Trainingseffekt) ihre Achtsamkeit, welche im Gegenzug die Fähigkeit Zirkustricks auszuüben verbessert, was wiederum die Achtsamkeitspraxis verbessert – ein positiver Kreislauf.

Außerdem soll sich dieses Programm positiv auf Stimmung, Konzentration, soziale Verbundenheit und Resilienz auswirken und das Risiko für psychische Erkrankungen reduzieren. 

Der theoretische Rahmen wurde in einer kleinen Pilotstudie mit 10 Teilnehmern und einer Zirkus-Stunde getestet. Die Teilnehmer berichten, dass die Stunde ihnen Spaß bereitet hat. Sie können sich gut vorstellen, dass die positiven Effekte des Zirkus- und Achtsamkeitstrainings sich auch auf andere Lebensbereiche transferiert. Es ist zu früh, um nachhaltige Effekte auf die Stimmung zu sehen, da in der Untersuchung nur eine Zirkussession stattgefunden hat, aber die Teilnehmer können sich positive Effekte gut vorstellen, wenn sie regelmäßige Übungsstunden haben (Pang et al., 2020)

Dieser Artikel Betrifft nur die Effekte von Zirkus und Achtsamkeit. Zu allen anderen positiven Effekten von Zirkus könnte ich jetzt noch Seiten füllen, doch das mache ich ein anderes Mal.

Die Forschungslage zu den Effekten von Achtsamkeit und Zirkus in Kombination ist noch dünn. Bei Neuigkeiten werde ich in meinem Blog darüber berichten.

Pang, N. T. P., Lee, G. P. Y., Tseu, M. W. L., Honey, H. A., Joss, J. I., Kassim, M. A. M., James, S., Lasimbang, H. (2020). Improving Students’ Sense of School Connectedness and Mindfulness Skills through Participation in a School-Based Circus Arts Mindfulness Program. In International Journal of Innovation, Creativity and Change (14 (12) 1117-1131.
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